Digitalisierung und Nachhaltigkeit – ein Widerspruch?
Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Diese zwei Wörter passen für viele nicht in einen gemeinsamen Satz. Denn die weltweite Technisierung, die u.a. durch Big Data, KI (Künstliche Intelligenz) und Industrie 4.0 insgesamt stetig anwächst, verbraucht immer mehr Energie.
Internationale Studien gehen von 0,06 Kilowattstunden pro Gigabyte Datenverkehr aus. Laut dem Statistischen Bundesamt ist in einem Zeitraum von nur fünf Jahren der weltweite Datenverkehr von 40 Exabyte auf 140 Exabyte in Deutschland gestiegen. Dies bedeutet einen jährlichen Anstieg von 20 Exabyte, das entspricht 20 Millionen Terrabyte. Dieser rasante Anstieg ist hauptsächlich durch die vermehrte Nutzung von Streamingdiensten und Cloud-Diensten zu erklären. Allein die Video-on-Demand Dienste verzeichnen zurzeit um die 400 Millionen Nutzer. Laut Meinung von Experten, verdoppelt sich diese Zahl in der nächsten Zeit.
Die Geräte werden immer effizienter, doch durch die digitalen Dienste steigt der Energieverbrauch weiter rasant an. Eine mögliche Idee läge darin, zum Beispiel massive Forschungsgelder in energiesparende Hard- und Software zu investieren. Aber ist das wirklich die Lösung?
Die Zahlen sind derzeit also erdrückend und mittlerweile produziert das Internet doppelt so viel CO2 wie der globale Flugverkehr. Verzicht kann hier aber kaum die Lösung sein.
Die Empfehlungen der Wissenschaftler lauten, Energie sollte dann genutzt werden, wenn sie im System ausreichend zur Verfügung steht. Damit könnte die Verschwendung minimiert werden. Aber Netflix nur zu nutzen, wenn es in Schleswig-Holstein windig ist? Klingt wenig zielführend.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, was für Emissionen durch z. B. einen höheren Datenverkehr kompensiert werden. Umso mehr Zoom-Sessions, desto mehr Emissionen entstehen durch den Datenverkehr, aber umso weniger wird z. B. auch mit Flugzeug und PKW gereist.
Das Thema darf keine Schreckensvision sein
Andere Lösungen müssen her und die bereits vorhandene Akzeptanz für das Thema muss weiter ausgebaut werden. Unternehmen können dieses Thema für sich zum Vorteil machen und z. B. einen Wettbewerbsvorteil erzielen. Auch Investoren und andere Geldgeber bevorzugen häufig Unternehmen, die sich selbst Klimaziele setzen. Auch an der Börse ist mittlerweile sichtbar, dass Klimarisiken mit in Berechnungen einbezogen werden. Umweltschutz, Wohlstand und Erfolg sind keine Feinde.
Das Thema Nachhaltigkeit wird von der Bevölkerung schon deutlich mehr angenommen als es Politik und Medien häufig vermitteln. Nicht zuletzt durch die Fridays for Future Bewegungen wurden die Themen Klimawandel und Klimaschutz für viele Bürger zu sehr ernstzunehmenden Themen.
Haben sie die Wahl, entscheiden sich viele Kunden heutzutage für das „klimafreundliche, grüne“ Unternehmen. Aus diesem Grund muss Klimaschutz ein Teil des Geschäftsmodells werden.
Es kann sehr sinnvoll sein, MitarbeiterInnen in den Prozess der Umgestaltung in Richtung Nachhaltigkeit mit einzubeziehen. Häufig kommen auf diese Weise tolle Entwicklungen zustande und innovative Ideen sind gefragt.
Wichtig zu erkennen ist, dass Nachhaltigkeit und Handeln im Sinne des Klimaschutzes nicht automatisch Verzicht bedeuten muss. Nachhaltigkeit ausschließlich als Verzichtsthema zu sehen, hält ein Unternehmen auf.
Wer ist verantwortlich?
Ist ein Unternehmen allein dafür verantwortlich, Klimaziele anzustreben oder doch der Staat? Die richtige Antwort lautet: alle Beteiligten. Oft sind Unternehmen in der Umsetzung schneller und effizienter, wenn dies in Eigenregie erfolgt. Wahrscheinlich benötigen wir den Staat für eine richtungsweisende Kompetenz und die Formulierung konkreter Ziele.
Im Podcast auf 25R Digital mit Dr. Katharina Reuter zu diesem Thema, haben wir beispielsweise erfahren, dass „in den allermeisten Unternehmen die Mitarbeitermobilität mehr als 50% der CO2-Emissionen ausmacht“.
Hier bietet eine Umstellung der Firmenfuhrparks auf E-Mobilität oder das Einrichten eines Sharing-Konzepts viel Potenzial zur Einsparung von CO2-Emissionen. Die kann ein Unternehmen meist problemlos in Eigenregie bewerkstelligen.
Die Möglichkeit der Arbeit im Home-Office hat, auch durch die Corona-Pandemie, erneut viel Aufmerksamkeit bekommen. Viele Unternehmen mussten sich regelrecht eingestehen, dass diese Art der Arbeit zumindest eine sehr unterstützende Alternative darstellt. Die Fahrt zum Büro, eventuell mit dem eigenen KFZ, entfällt. Bei Terminen innerhalb Deutschlands, die vielleicht nur ein bis zwei Stunden dauern, aber einen Hin- und Rückflug oder eine lange Autofahrt nötig machen würden, ist eine Onlinekonferenz eine tolle Alternative. Hier ist die Digitalisierung sicher als großer Vorteil zu sehen, betrachtet man die vielen Möglichkeiten. Natürlich benötigen wir dafür wieder Strom, sparen an anderen Stellen aber überproportional ein.
Climate-Change-Prozess – aber wie?
Wissenschaftler empfehlen Energie dann zu nutzen, wenn im System ausreichend davon zur Verfügung steht. Digitalisierung durch z. B. Smart Home kann helfen, die Waschmaschine zu starten, wenn ausreichend Strom generiert werden kann. Was im privaten Umfeld super umzusetzen ist, ist im beruflichen Umfeld schon schwieriger. Die Mitarbeiter spontan arbeiten lassen, wenn gerade Strom vorhanden ist, wird nicht funktionieren. Dennoch können Unternehmen hier einiges tun und auch die Digitalisierung dafür nutzen.
Das Bundesministerium für Umwelt spricht vom Einsatz eines „Umweltmanagement-Systems“ in Unternehmen. Dies soll unter anderem folgende Felder abdecken:
• Prüfung der Einhaltung von aufgestellten Umweltauflagen des Unternehmens
• Analyse der Umweltstatistik
• Lieferketten Analyse
• Ausbau von Big Data, Cloud Computing und Blockchain
Es sollte das erklärte Ziel von Unternehmen werden, Klimaneutral zu arbeiten. Für alle Unternehmen wird das voraussichtlich nicht möglich sein, aber dass dieser Anspruch manchen Firmen schon heute nicht mehr genügt, zeigt sich am Beispiel von Ecosia. Das 2009 gegründete Unternehmen wurde im Jahr 2014 als erstes deutsches Unternehmen mit dem „B-Corporation“-Zertifikat ausgezeichnet. 2019 wurde die Klimaneutralität erreicht und nun ist das nächste Ziel, klimapositiv zu werden.
Der Klimaschutz braucht technologische Innovationen und die deutsche Industrie ist mit ihrer Erfahrung in der Verfahrenstechnik bestens dazu geeignet.
Wie wird die Zukunft aussehen?
Es scheint zwar, als sei Digitale Nutzung ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite steht, dass Datenverarbeitung und Übertragung mehr Energie als Flug- und Autoverkehr in einem Jahr verbraucht. Jedoch schaffen neue Technologien Nachhaltigkeit und Energieeinsparung. Das macht die Digitalisierung unverzichtbar.
Das Motto der Zukunft darf also nicht lauten: „Digitalisierung oder Klimaschutz“, sondern: „Klimaschutz mit Hilfe der Digitalisierung.“
- Vom 8. Oktober 2020