„Irgendwas mit bezahlen“ der deutschen Bankenwelt … Jetzt: Der 2. Akt
Der 1. Akt kaum vorüber, geht das Schauspiel bereits in die nächste Runde. Während der 1. Akt noch unter dem Titel „paydirekt“ verlief, so kommt der 2. Akt jetzt mit dem Titel „X-Pay“ um die Ecke und, wie so typisch in einer Spielfilmdramaturgie, beginnen nun die Hauptfiguren sich (vielleicht) mit den grundlegenden Problemen auseinander zu setzen.
Es lässt sich kaum erahnen was sich die deutsche Kreditwirtschaft da nun wieder überlegt, aber die Probleme beginnen schon bei der Auswahl des Namens. Denn das gleichnamige Unternehmen („XPAY liefert Kundenkarten inkl. Mastercard® Zahlfunktion und unserem preisgekrönten Online-Banking im Design Ihres Unternehmens.“) hat damit wohl nichts zu tun und so sorgt dieser Name (in der Presse Arbeitstitel genannt) erstmal für eines und zwar Verwirrung. Um was es sich hierbei aber nun wirklich handelt, wird nicht gänzlich klar.
T3N schreibt: „Die deutsche Kreditwirtschaft arbeitet an einer Sammel-Schnittstelle für Zahlungsdienstleistungen.“ (https://t3n.de/news/x-pay-deutschlands-banken-retten-1181745/). Das Handelsblatt wiederum schreibt: „X-Pay könnte Paydirekt ablösen“ (https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/zahlungsverkehr-x-pay-koennte-paydirekt-abloesen/24681882.html?ticket=ST-2811566-4XYOd16nk6VlApr3qd3G-ap4).
Augenscheinlich will man unbedingt den Durchbruch und eine echte Alternative schaffen. Der Druck durch Paypal, Apple Pay, Google Pay und Co. wird mit rasender Geschwindigkeit größer und man kämpft um die Kunden. Vielleicht hat man auch erkannt, dass es nicht um die eigentliche Zahlungsart geht, die dem Kunden sowieso egal ist. Der Kunde möchte in erster Linie komfortabel bezahlen und diesen Komfort wird er sich suchen. Wenn die ihm bekannten Dienstleister, Banken etc. diesen Komfort nicht bieten können, wird es schwer und zwar nicht nur im Segment der Zahlungsabwicklung.
Auch andere Geschäftsbereiche dieser betroffenen Dienstleister verlieren an Höhe, denn die Banken verlieren den Kundenzugang. Der Zahlungsverkehr ist i.d.R. oft nur ein Vehikel und sorgt für Bindung des Kunden. Die Monetarisierung kann langfristig über andere Kanäle erfolgen. Dieses Verständnis ist aber lange noch nicht in allen Köpfen angekommen. Ein defizitärer Zahlungsverkehr kann, geschickt aufgebaut, für eine hohe Gesamtprofitabilität sorgen und das wird voraussichtlich bei den oben genannten Wettbewerbern auch der Fall sein. Konkurriere ich nun mit Unternehmen in einem Segment, wo die Konkurrenten kein Geld verdienen müssen oder wollen, ich aber schon, wird die Luft schnell dünn für mich.
Fehlende Skaleneffekte
Während paydirekt definitiv Skaleneffekte fehlen (https://www.finanz-szene.de/payments/nur-40-000-transaktionen-monatlich-was-wird-jetzt-aus-paydirekt/), scheint man nun zumindest hier etwas anders machen zu wollen. „Ziel ist laut Insidern, dass X-Pay Teil eines möglichen neuen europäischen Zahlungssystems werden kann, für das mehrere bei der Europäischen Zentralbank angesiedelte Arbeitsgruppen die Grundlage schaffen wollen.“ (https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/zahlungsverkehr-x-pay-koennte-paydirekt-abloesen/24681882.html?ticket=ST-2811566-4XYOd16nk6VlApr3qd3G-ap4). Wird wirklich Europa in den Fokus genommen, stehen die Chancen zumindest deutlich besser. Das Zahlungsvolumen ist um ein Vielfaches größer, als nur im deutschen Markt. Auf ein Niveau von Paypal wird man aber nicht kommen. Und das „Think Big“ bringt auch ein großes Risiko mit sich. So stehen Nachteile wie eine fehlende Agilität, Schnelligkeit und Flexibilität den Vorteilen gegenüber. Bis auf europäischer Bühne alle erforderlichen (lethargisch wirkenden) Personen und Instanzen überzeugt sind, vergehen vermutlich Jahre. Diese Zeit haben die Banken jedoch nicht.
Fehlender USP?
Neben fehlenden Skaleneffekte war das größte Problem von paydirekt bisher der fehlende USP. Was macht paydirekt anders als Paypal und Co.? Warum sollte ein treuer Paypal-Nutzer zu paydirekt wechseln? Augenscheinlich gibt es dafür keinen Grund oder sie haben ein schlechtes Marketing. Um eines vorweg zu nehmen: Sicherheit und deutsche Server sind kein möglicher Grund.
Es bestehen eine Reihe von Problemen, die gelöst werden könnten, besonders gut von Banken. Würde man diese Probleme in Angriff nehmen, könnte ein USP entstehen – für den Zahlenden, aber auch für den Zahlungsempfänger.
Geht das überhaupt?
Dass es funktionieren kann, zeigt z.B. die Octopus Card („Making everyday life easier by using innovative payment technology.“). Zuerst in Hongkong als Zahlungsmittel für den Nahverkehr eingesetzt, ist die Octopus Card heute nicht mehr alleine auf Hongkong und auf den Nahverkehr begrenzt. 99% der Bevölkerung von Hongkong besitzen eine Octopus Card. Unterstützt von 22 Finanzinstituten werden mit der Octopus Card täglich 14 Millionen Transaktionen mit einem Gesamtwert von umgerechnet 21 Millionen Euro bewegt. Paypal bewegt mit 33 Millionen Transaktionen pro Tag natürlich knapp das 2,5fache. Der Gesamtwert von Paypal liegt (weltweit!) täglich um ein Vielfaches über dem der Octopus Card. Letzteres liegt aber u.a. an der Vielzahl der Micropayments der Octopus Card. Dass es durch geht, zeigt dieses Beispiel wunderbar.
Digitales Payment ist keine Raketenwissenschaft und richtig eingesetzt schafft man große Kundenzufriedenheit. Auch eine angenehme Gesamtprofitabilität ist erreichbar. Ob „X-Pay“ das Zeug dazu hat, nachdem bei paydirekt augenscheinlich die Luft raus ist, bleibt abzuwarten. Eine gewisse Skepsis bleibt jedoch – angesichts der gemachten Erfahrung angebracht.
- Vom 31. Juli 2019