
10 Jahre Liquam – Bisherige Entwicklung und Zukunft der digitalen Ökonomie
Liquam feiert seinen 10. Geburtstag. Seit 2013 beraten wir unsere Kunden in der strategischen Ausrichtung und unterstützen in der Umsetzung bei digitalen Themen.
Seit der Gründung hat sich die digitale Ökonomie und das Thema Digitalisierung auf vielen Ebenen weiterentwickelt. Sie wurde zu einer zentralen Triebkraft für Veränderungen in Wirtschaft, Gesellschaft und Technologie. Über die Jahre hat sich der Begriff Digitalisierung gewandelt, sich verwaschen, wurde zu einem Buzzword und permanent neu definiert.
In der aktuellen Folge sprechen wir über die Entwicklungen der letzten 10 Jahre und was Unternehmen in Zukunft erwarten können.
Diese Folge jetzt bei Spotify, Google Podcasts, Apple Podcasts und Amazon Music hören.
Transkription
Sven: Unser Unternehmen Liquam feiert diese Tage seinen zehnten Geburtstag. Seit 2013 beraten wir unsere Kunden in der strategischen Ausrichtung und unterstützen in der Umsetzung bei digitalen Themen. Nicht nur die Zeit ist rasend schnell vergangen. Das ganze Thema, nennen wir es übergreifend Digitalisierung, hat sich in den letzten zehn Jahren sehr stark verändert und weiterentwickelt. Gibt es für dich prägende Entwicklungen in den letzten zehn Jahren, wo du sagst, das waren große Meilensteine, gerade im Bereich Digitalisierung?
Sebastian: Ich glaube, es ist schwer, das in einzelnen Meilenstein festzumachen. Besonders dieser Begriff ist ja schon eine gewisse Herausforderung. Und wenn wir jetzt mal so über die letzten zehn Jahre sprechen wollen, was hat sich eigentlich getan? Ich glaube, das ist gar nicht so an einzelnen Punkten festzumachen, wie sich das in der Gesellschaft, in den Unternehmen entwickelt hat, sondern es ist, glaube ich, generell ein gewisser Reifeprozess. Klar kann man sagen, der jüngste Punkt ist, jetzt vorsichtig gesagt, der Durchbruch im KI Bereich, welchen ich gerade nicht als einen erachte. Aber natürlich gibt es Sachen, die medial stärker ausgenutzt wurden, stärker gespielt worden, aber es ist jetzt nicht der Meilenstein, das Ereignis, glaube ich, was in den letzten zehn Jahren im Vordergrund war.
Sven: Das war vielleicht sogar einer der großen Erkenntnisse, wenn wir so zurückblicken in den letzten zehn Jahren, glaube ich. Also rückblickend betrachtet sagt man immer, da kam folgende Lösung und dann kam folgender Trend, folgendes Thema, aber in Wirklichkeit war es ja alles fließend. Wir haben das häufiger mit Apple-Produkten, wo wir sagen, das war ja ein schlauer Move, das haben sie ja lange vorbereitet mit iTunes und Co. Aber eigentlich ist es alles ein fließender Prozess und das macht das ganze Thema vielleicht auch so schwierig für Unternehmen, es zu greifen.
Sebastian: Ja, jetzt hast du eben Apple angesprochen. Es steckt ja auch immer viel Zufall dahinter. Es klingt immer super rückwirkend betrachtet, wie sich etwas ergeben hat und es könnte natürlich sein, dass es genauso geplant gewesen ist. Aber ich glaube, ohne da jetzt eine Illusion zu zerstören: Das ist nicht so. Ich glaube das ist nicht wie bei Apple, dass die Zahnräder ineinandergreifen mit Hardware und den Services. Aber wie sich das von einem iTunes Music bis hin zu Apple One mit Fitness+, Apple TV+ entwickelt hat, ist das schon viel Zufall und viel Glück. Das ist glaube ich nicht so von langer Hand geplant gewesen. Wenn man mich nicht unbedingt nach dem einen Ereignis fragen würde, sondern nach der stärksten Veränderung, dann ist es eigentlich schon im Bereich der Begrifflichkeiten geprägt. Als wir vor zehn Jahren angefangen haben und keine Sorge, wir machen hier jetzt nicht zehn Jahre Liquam-Historie, sondern eher den unternehmerischen gesellschaftlichen Wandel innerhalb dieser zehn Jahre. Als wir damals damit angefangen haben, haben wir ja einen gewissen Need gesehen. Diesen Need kannten aber noch die wenigsten Unternehmen und wir haben das Thema damals nicht Digitalisierung genannt. Zwischenzeitlich war es Digitalisierung, obwohl der Begriff sich sehr, sehr schnell verbraucht hat. Heute redet man eigentlich auch nicht mehr über Digitalisierung. Viele haben ja auch immer gesagt machen wir Digitalisierung nicht eigentlich schon seit Jahrzehnten? Ja, aber die Veränderung, die, ich betone immer gesellschaftlich und auch unternehmerisch, eingetreten ist, auch weiterhin eintreten wird, dieser kontinuierliche Veränderungsprozess, den hat man zwar Digitalisierung genannt, es ist aber viel mehr. Also es ist nicht einfach nur die Nutzung von digitalen Werkzeugen und das war 2013, als wir damit gestartet sind, war die Wahrnehmung, glaube ich, also dieses Veränderungsthema in den Unternehmen noch eine ganz andere.
Sven: Ich bin absolut deiner Meinung. Man kann das sogar bei Google Suchanfragen erkennen. Ab 2013, auch zufälligerweise das Datum, wo wir dann auch gegründet hatten, war es so, dass die Suchanfragen sich sehr stark verändert haben und bei dem Begriff „Digitalisierung“, Anfang 2013, waren wir noch bei diesem ganz klassischen: Ich überführe etwas analoges in etwas digitales, was für uns auch eine Herausforderung war. Am Anfang hatten wir Anfragen, ob wir VHS Kassetten digitalisieren können und das hat sich dann aber über die nächsten Jahre immer mehr gewandelt und ist wirklich zu diesem Megatrend „Digitale Transformation“ geworden, der einfach alle Bereiche von Wirtschaft, Staat, Gesellschaft und Alltag einfach verändert und was auch ein riesiges Problem oder eine Herausforderung für diesen Begriff ist, weil dieser Begriff sich einfach so stark verändert hat, sich sehr verwaschen hat, zum Buzzword geworden ist und sich permanent neu definiert hat. Deshalb war das immer sehr schwierig und auch in den letzten Jahren immer so ein Thema gewesen und jeder hat etwas anderes darunter verstanden, es war eine Herausforderung, einfach weil es einfach für so viel stand.
Sebastian: Ja, letztendlich ist es ja ein Veränderungsprozess und dieser Veränderungsprozess ist ja naturgegeben. Schon über Jahrhunderte, Jahrtausende haben wir einen gewissen Veränderungsprozess und man hat ihn für einen sehr kurzen Zeitraum eigentlich immer Digitalisierung genannt, auch wenn man ihn heute auch teilweise noch Digitalisierung nennt, ist es ja durchaus eine Begrifflichkeit, von der wir versuchen, uns sukzessive zu distanzieren. Klingt ein bisschen hart, aber es ist viel mehr, als nur der Einsatz von digitalen Werkzeugen usw. Und dieser Veränderungsprozess, ich glaube das ist, was die Herausforderung ist und war und zukünftig wahrscheinlich noch stärker sein wird, und zwar, dass dieser Veränderungsprozess sich beschleunigt und dass die Veränderungen schneller kommen, aber sie auch tiefgreifender sind.
Sven: Ja, genau. Und gerade dieser Wandel, dieser digitale Wandel ist eben die Herausforderung für die Unternehmen. Also ich muss eben schauen, welche Auswirkungen hat der digitale Wandel auf mein Geschäftsmodell und welche Chancen und Risiken sind damit irgendwie auch verbunden für mein Geschäftsmodell. Und welche Lösungsszenarien habe ich, um damit umzugehen? Weil ich eben die Situation habe, dass ich aufgrund des digitalen Wandels neue Erwartungshaltungen an mich habe durch meine Kunden, aber eben auch durch meine Mitarbeiter, dass ich auf einmal neue Wettbewerber auf dem Markt habe, die es vorher nicht gab und ich einfach vor der Herausforderung stehe, jedes Mal wieder zu schauen, wie ich damit umgehe. Und es hört ja nicht auf, wie wir gerade gesagt haben, ist es ja ein fortschreitender Wandel und auch in fünf Jahren, wenn wir uns hier drüber unterhalten, sieht auch die Welt wieder ganz anders aus.
Sebastian: Wie ist dein Blick auf die Wahrnehmung in den Unternehmen? Also hat das Thema ein stärkeres Bewusstsein bekommen? Nimmt man die Themen jetzt ernster?
Sven: Ja, definitiv. Also das würde ich auf jeden Fall sagen. Ich weiß noch, wie viel Erläuterungen und Überzeugungsarbeit wir oft am Anfang leisten mussten, weil häufig so der Gedanke war, dass man sich jetzt ein Tool anschafft, man sich einen Webshop baut, das ist irgendwie auch noch so das Schlimmste. Ich glaube, wenn irgendwie jeder sagt, die Digitalisierung ist ein Webshop und nicht, dass ich mich wirklich mit der Problemstellung oder mit der Strategie auseinandersetzen muss. und man sagt, man löst das Problem ganz schnell oder ich schreibe es mir in meinem Jahresbericht mit rein und sagt man macht Digitalisierung. Das war so das Schlimmste und ich glaube, mittlerweile ist es komplett angekommen. Und klar gibt es über die vielen Jahre viele Experten da draußen, die dann auch in etablierten Unternehmen feste Position bezogen haben und diese Rollen ausfüllen. Das glaube ich schon.
Sebastian: Ja, ich bin mir unsicher, auch heute noch. Also ich glaube, unseren Kunden haben wir das hinlänglich erklärt und da ist es auch verstanden.
Sven: Aber ich finde auch, es ist weniger geworden. Also eigentlich ist es ja eher andersrum, es kommen ja sogar konkrete Anfragen zu bestimmten Fragestellungen, wo man sagt, das ist schon super, dass ihr soweit überhaupt gedacht habt.
Sebastian: Ja, man trifft mittlerweile auf eine anderes Setup und auf ein anderes Mindset, das definitiv. Ich bin mir manchmal unsicher, ob das Ausmaß schon in der breiten Masse tatsächlich auch überall angekommen ist.
Sven: Führe das gerne weiter gleich aus. Also ich würde sagen, das Ausmaß ist bekannt und man möchte ihm auch ganz gerne Rechnung tragen. Nur es sind dann doch oft die Unternehmen Strukturen, die dann vielleicht wieder Steine in den Weg werfen.
Sebastian: Genau, das auf jeden Fall. Also wir haben viele Entscheider, die das sehen, die auch die entsprechenden Entscheidungen ganz gerne treffen wollen würden. Aber, und da verweisen wir gerne auf andere Podcastfolgen, zum Beispiel „Innovators Dilemma“, das aber nicht können aufgrund eigengesetzter Policies irgendwelcher Strukturen, die genau diesen erforderlichen Veränderungsprozess letztendlich nicht ermöglichen. Aber. Ich weiß auch nicht, es ist viel weniger geworden, aber ob es wirklich schon hinlänglich ausreichend angekommen ist, dass es, wie du sagst, mehr ist als nur Webshop zu machen. Dass mich das heute nicht mehr retten wird oder nur weil ich jetzt mein Lagersystem umstelle oder ich irgendwo eine tolle Software anschaffe, dass ich dann eben abschließend digitalisiert bin. Noch heute hören wir Aussagen wie: „Eigentlich sind wir ja schon fertig damit usw.“ Um es auf den Punkt zu bringen, es ist Quatsch, was da gesagt wird und da bin ich mir unsicher, ob es wirklich schon ausreichend angekommen ist, von der Notwendigkeit her, aber auch vom Inhaltlichen her, also was es eigentlich verändert. Ich glaube, da ist immer noch relativ viel Naivität dabei und viele sagen, Corona muss da ja ein riesen Brandbeschleuniger gewesen sein, weil alle verstanden haben, dass so wie wir vor Corona gearbeitet haben, zumindest in Pandemiezeiten, wo wir größtenteils remote gearbeitet haben, da wo es möglich war, so nicht mehr arbeiten können. Aber ich glaube, in dem Moment, wo du denkst, dass Covid ein Brandbeschleuniger war, zeigst du eigentlich schon, dass du es nicht verstanden hast. Also du zeigst dein Verständnis dieser Themen. Es geht um Prozesse, es geht darum, irgendwelche Workflows digital abzubilden usw. Und ja, vielleicht verstehe ich auch schon, dass ich Sachen, wenn ich mal klassische Arbeitsprozesse denke. Es geht ja bei uns nicht nur um Geschäftsmodelle, sondern auch um klassische Prozesse, die nicht nur zu digitalisieren, sondern auch dann im nächsten Schritt zu automatisieren. Vielleicht denke ich noch daran, aber wenn Covid jetzt meine Motivation ist, Digitalisierung, den Begriff in Anführungszeichen, voranzutreiben, dann denke ich in dem Moment ja in der Regel nicht an Geschäftsmodelle. Natürlich gibt es auch genug Geschäftsmodelle, die durch die Pandemie angeschlagen sind, aber dass ich unabhängig von der Pandemie in meinem Geschäftsmodell ein gewisses Bedrohungsszenario habe, dann zeigst du damit eben auf, dass du das nicht siehst oder nicht verstanden hast.
Sven: Ja, das sehe ich auch so. Man kann natürlich nur hoffen, dass es für viele dann ein Türöffner war, dass sie gesagt haben, wir gehen jetzt durch diese Tür und wir machen so Sachen, die wir eigentlich schon vor acht, neun Jahren hätten machen sollen, also die Hausaufgaben, die jedes Unternehmen für sich hätte tun sollen, die machen wir. Aber wir sind dann bereit dafür, auch den nächsten Schritt zu gehen und da ist halt die große Sorge, wie viele Unternehmen machen das wirklich und sind so offen und so mutig und trauen sich, das auch zu machen? Und man muss man ja ehrlicherweise auch sagen, wie viele Unternehmen können sich das leisten? Also ich habe ja zwei Extreme. Auf der einen Seite habe ich große Unternehmen, die sehr starre Strukturen haben, in denen es sehr schwer fällt, entsprechende Veränderungen durchzusetzen, vielleicht auch sein Geschäftsmodell so radikal zu verändern, obwohl ich es tun müsste, ich es aber nicht einfach so machen kann. Auf der anderen Seite habe ich vielleicht Unternehmen, die sich diese Veränderungen nicht wirklich leisten können, weil sie vielleicht nicht über die entsprechende Ressourcen heutzutage verfügen, vielleicht noch nicht über die finanziellen Möglichkeiten, weil so eine Veränderung dauert etwas, kostet viel Geld, es sind Risiken, die man damit eingeht. Das ist natürlich gefährlich. Ich würde auch sagen, jetzt gerade so die letzte Zeit hat auch gezeigt, dass dieses ganze Thema „Startups“, und jetzt mal ganz vorsichtig sein mit der Formulierung, dann auch nicht so die Lösung für alles sind. Also man hat ja immer sehr gerne darauf geguckt und hat gesagt, schau wie toll das alles läuft, wie gut das funktioniert, man müsste doch eher viel mehr wie so ein Startup arbeiten und handeln. Auch die hatten im Rahmen der wirtschaftlichen Herausforderung in den letzten Jahren Schwierigkeiten, haben keine weiteren Finanzierungsrunden bekommen und von vielen Start ups, die es versuchen, schaffen es auch nur ganz wenige. Also das ist auch nicht automatisch immer so die Lösung. Es ist wirklich ein Spagat, es ist eine Herausforderung. Ich kann nicht einfach sagen, ich mach das und dann ist das Thema automatisch umgesetzt. Ich weiß zum Beispiel, wir kennen einige Unternehmen, auch gerade aus dem Dax-Bereich, die wirklich ganz tolle, erfolgreiche internationale Unternehmen sind, denen vollkommen klar ist, was sie tun müssen, es aber einfach aufgrund interner Strukturen nicht schaffen. Da sind große Unternehmen bei, die haben angefangen, parallele Organisationseinheiten zu bilden und ich rede jetzt nicht von Digitaleinheiten, irgendwelchen Speed Bots, sondern die haben halt eine digitalaffine Personalabteilung gegründet, weil die gesagt haben, mit unserer bestehenden Abteilung schaffen wir diese digitale Transformation nicht, die Leute ziehen nicht mit. Und jetzt kann man natürlich sagen, da hat der Change Management nicht gegriffen oder man ist da nicht genug auf die Menschen eingegangen. Man hat sich da sehr viel Mühe gegeben, man hat da sehr viel Energie und Kraft reingesteckt und hat aber festgestellt, es funktioniert nicht, vielleicht wollen einige Menschen nicht, aus welchen Gründen auch immer, aber in dem internationalen Wettbewerb, in dem man sich bewegt, hat man nicht mehr diese Zeit und man kann sich nicht mehr so viel Zeit erlauben, sondern um weiter wettbewerbsfähig zu bleiben, muss ich entsprechende Strukturen aufbauen, um mich verändern zu können, um weiter wettbewerbsfähig zu bleiben.
Sebastian: Ja, das ist ja genau das, was ich meinte mit dem Veränderungsprozess, der so super schnell geworden ist. Und ich muss halt diese Bereitschaft für Veränderungen schaffen. Und ja, es ist nicht die Lösung, dass ich als Unternehmen mit 25.000 Köpfen mir jetzt Startup Strukturen aneigne. Das passt nicht. Also wenn ich an Startups denke …
Sven: Es gibt ja Beispiele, wo es versucht wurde und aber gescheitert ist.
Sebastian: Es wird dort nicht funktionieren, weil Startup Strukturen passen ja für eine gewisse Unternehmensgröße, passen für eine gewisse Unternehmensphase. Und natürlich muss ich dann auch nicht irgendwelche Konzernallüren an den Tag legen. Das ist ja das was Amazon ja mit seinem Day One immer wieder beschreibt oder zumindest meint. Und da muss ich halt für mich die geeignete Struktur schaffen. Und was du auch sagst, mit der Personalabteilung, dieses ganze Thema muss in die DNA übergehen und das ist …
Sven: Die Personalabteilung ist ein Beispiel, das gibt es auch in anderen Abteilungen.
Sebastian: Genau, das ist ein sehr schönes Beispiel, weil es einfach zeigt, dass du da ansetzen musst, wo die Köpfe schon rekrutiert werden, damit du das richtige Mindset ins Unternehmen holst, damit du die richtigen Positionen besetzt, damit die Positionen die richtigen Skills haben. Wenn ich heute einen Vertriebler einstelle, habe ich ganz andere Anforderungen an ihn. Und das ist genau dieses Thema, weshalb eben „Digitalisierung“, in Anführungszeichen …
Sven: Ich sehe wie du dich windest.
Sebastian: Aber es ist nicht das, was wir früher analog gemacht haben, in dem wir anstatt Print zu machen, machen wir jetzt ein E Paper, oder anstatt in der Hamburger Innenstadt Schuhe zu verkaufen, machen wir das Thema jetzt online. Das ist es eben nicht, sondern es zieht sich durch das gesamte Unternehmen durch. Und gerade gestern passend dazu habe ich eine Email erhalten mit einer Ausschreibung und der Titel der Ausschreibung war „Erstellung einer Digitalstrategie“ und wo ich genau an diese Themen denke, Geschäftsmodelle, Bedrohungsszenarien aufstellen, dafür eine Strategie finden, wie man der begegnet und eben nicht: Wie machen wir jetzt ein Update unserer Microsoft Server Infrastruktur oder so was. Und dann habe ich diese Ausschreibung weitergelesen und erst klang das irgendwie so ganz gut: „Ausgeschrieben ist die Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie inklusive Beratung und auch Umsetzung“ auch das, was wir ja immer wieder sagen, also wir brauchen heutzutage aufgrund dieses Veränderungsprozesses nicht noch 300 Seiten für die Schublade produzieren, sondern wir müssen auch in Lösungen denken und müssen relativ schnell auf die Straße gehen damit. Und dann lese ich weiter, „…inklusive IT Bereitstellung und Software und Installation der Hardware“. Das war deren Digitalstrategie, also hier schreibt ein Unternehmen, den Namen sage ich nicht, aber hier schreibt ein Unternehmen eine Digitalstrategie aus und wenn es eine Ausschreibung ist, dann ist es kein kleines Unternehmen. Aber es schreibt eine Digitalstrategie aus und ganz hinten steht dann, die Hardware muss auch installiert werden. Und dabei zeigt sich, dass mit der Digitalstrategie einfach nur ein Infrastrukturthema gemeint ist und das umschreibt eben nicht das Thema Strategie. Ich finde grundsätzlich Digitalstrategie immer schwer. Viele Unternehmen sind der Meinung, dass sie eine brauchen. Wir sagen dann ja immer eher, wir müssen eigentlich die Unternehmensstrategie anfassen, weil wir sagen, es geht in die DNA des Unternehmens über. Die Unternehmensstrategie muss digital aufgeladen werden. Sonst habe ich zwei Strategien, die optimalerweise in einer harmonischen Koexistenz leben, aber selbst das ist eigentlich nicht ausreichend. Und das meine ich, wenn ich sage, ich bin mir unsicher, ob es so in den Köpfen angekommen ist, was es tatsächlich erfordert.
Sven: Das zu einen, da bin ich absolut deiner Meinung. Und dann bedarf es gleichzeitig auch einer großen Selbstreflexion der CEOs oder eben der Führungskräfte, dass ich dann zum einen verstanden habe, worum geht es denn wirklich? Und dann auch noch so stark in der Selbstreflexion bin sagen zu können, ich muss den Status Quo, wie wir aktuell unser Geschäft machen, wirklich auch hinterfragen und so ein bisschen dieses Thema oder die Naivität ablegen zu sagen, was man ja so vor zehn Jahren noch gedacht hat, ich muss irgendwie im Buch blättern, bevor ich es kaufe, ich muss Schuhe anprobieren, bevor ich sie kaufe, ich kann Autos nicht online kaufen, wir wurden überall des Besseren belehrt. Und man sich einfach überlegen muss, wie stark verändert sich vielleicht wirklich mein Geschäftsmodell und wie offen muss ich da sein, weil sonst eben Wettbewerber um die Ecke kommten. Und wenn wir jetzt auch dieses Thema digitale Transformation im Ganzen sehen und einleitend meinte ich das auch, es betrifft ja auch genauso die Gesellschaft. Als Gesellschaft habe ich gelernt, es ist total easy, online meine Schuhe zu kaufen oder meine Bücher zu kaufen. Das heißt, die Erwartungshaltung meiner Kunden verändert sich und da gibt es natürlich entsprechende Wettbewerber am Markt, die bieten dann genau das an. Und wenn ich dann mit meinen Lösungen eben nicht so komfortabel und so nah dran bin am Kunden, dann verliere ich den Kunden. Wir hatten letztes Mal im Podcast über so Abhollösungen gesprochen und Unternehmen, die das dann doch eher als eine kleine Krücke gebaut haben, in der Hoffnung, dass der Kunde dann doch noch in den Laden geht und doch noch irgendwie etwas mit dazu kauft. Wenn ich schon so an das Thema herangehe, dann habe ich natürlich nicht genau das erfüllt, was der Kunde wirklich möchte. Das ist auf der einen Seite, weil es einfach gerade passend dazu ist, der Kunde aber auch heutzutage bei dem Thema Ressourcenknappheit und ich habe Herausforderungen, Mitarbeiter zu finden… Also wenn ich irgendwie Mitarbeiter suche und die sind digital aufgeladen, was super für mein Unternehmen ist und die kommen in mein Unternehmen und ich habe mich aber selber noch nicht weiterentwickelt und alles sieht noch aus wie SAP R/3 von der Oberfläche und ich habe echt keine State of the Art-Prozesse und Arbeitsweisen, dann bekomme ich auch diese Mitarbeiter nicht.
Sebastian: Ja, aber das ist genau das, was ich meine. Ist das halt überall schon ausreichend in den Köpfen angekommen? Also viel viel besser als noch vor zehn Jahren, aber ist es schon so ausreichend, dass auch tatsächlich die notwendigen Veränderungen angestoßen werden, sofern die Veränderungen überhaupt funktionieren. Also das muss man immer nochmal sehen. Da verweise ich jetzt zum wiederholten Male auf die Folge mit dem „Innovators Dilemma“, aber das beschreibt ja durchaus Cases, wo man sich die Frage stellen muss, ob der Veränderungsprozess grundsätzlich möglich ist, gerade wenn ich ein börsennotiertes Unternehmen bin. Es ist die Frage, ob ich die Interessen meiner Shareholder mit den notwendigen unternehmerischen Entscheidungen in Einklang bringen kann. Aber genau das beschreibt es letztendlich, ob das angekommen ist. Wenn man vielleicht eine Veränderung in den letzten zehn Jahren sich mal vor Augen führen kann, wo viele meinen, dass das es alles verändert hätte, dann ist es ja, dass aus den Managementetagen die Krawatten verschwunden sind und jetzt Snaeker getragen werden, was natürlich nicht ernst gemeint ist, aber es gab ja unzählige Manager, die ins Valley gefahren sind, um sich anzugucken, wie wird dort gearbeitet usw…
Sven: Stimmt, der Silicon Valley Tourismus. Da gab es sogar Organisationen, die das angeboten haben oder man konnte es komplett fertig buchen.
Sebastian: Ja, und es gibt ja auch Vereine in Deutschland, die nennen sich dann irgendwie Bay Area, hast du nicht gesehen, die irgendwie Beziehung dahin pflegen und genau diese Reisen organisieren. Aber da muss ich mir die Frage stellen, ist denn das also das, was ich da lernen kann, für mein Unternehmen passend, ist das richtig? Ich muss es halt irgendwie adaptieren und das ist ja genau die Leistung, die wir dann eben erbringen, das auf das Unternehmen zuzuschneiden und zu sagen, was ist für dich erforderlich und das eben nicht einfach nur zu kopieren. Und jeder der dahin gefahren ist, ist dann ohne Krawatte wiedergekommen.
Sven: Und Bart.
Sebastian: Und Bart, also eine Sache hat man verloren, eine Sache hat man gewonnen, den Bart hat man gewonnen, die Krawatte verloren und ja, aber ob es dann eben so viel verändert hat?
Sven: Wir sagen das ein bisschen scherzhaft, aber was sie ja eigentlich dadurch erlangt haben und mitgebracht haben, ist der Spirit. Das Problem ist natürlich, jeder kennt das aus dem eigenen Urlaub, wenn ich dann irgendwie zwei Wochen tollen Strandurlaub habe, dann komme ich voller Energie und mit tollen neuen Spirit irgendwie wieder zurück ins Büro und dann holt einen irgendwann dieser Alltag wieder ein. Und ich glaube, genau vor dieser Situation standen auch ganz viele, die dann diesen Spirit mitgebracht haben und dann aber in ihre Unternehmensstrukturen wieder zurückgefallen sind und festgestellt haben, sie können das leider nicht genau so umsetzen und zum Erfolg tragen. Dann hat sie die Realität leider dann wieder ein bisschen eingeholt.
Sebastian: Weil es halt auch einfach nicht passt. Also das muss man einfach sagen, weil es ja einfach nicht passend ist zu dem Unternehmen. Man saugt da was auf, kommt damit nach Hause, transplantiere das sofort in mein Unternehmen hinein und zwar genauso, wie ich das gesehen habe, dass das funktioniert dann einfach nicht. Und dazu kommt, wie du richtig sagst, ich nehme da eine gewisse Stimmung auf, bin hoch motiviert, wenn ich dann zurückkomme, aber werde dann relativ schnell von meinem Alltag eingeholt und bin dann frustriert, wenn es halt nicht funktioniert. Also es klingt so negativ, was soll ich über die letzten zehn Jahre sagen? Ich glaube, das ist es gar nicht. Aber ich glaube trotzdem, dass wir da noch einen weiten Weg zu gehen haben und es ist nicht mehr nur jetzt Thema Digitalisierung. Wie gesagt, wir tun uns ja wirklich sehr, sehr schwer mit dem Begriff, weil er eigentlich gar nicht dem gerecht wird, was erforderlich ist oder was auch was wir dort machen. Aber es ist ein Reifeprozess da gewesen, es hat sich viel verändert. In meinen Augen ist Corona nicht der Brandbeschleuniger gewesen. Es hat halt irgendwie dazu geführt, dass überall Teams eingesetzt wird, ob das jetzt gut ist, weiß ich nicht, also speziell bezogen auf die Software. Aber es hat fürs Tooling gesorgt in vielen Köpfen und vielleicht ist das auch gut. Es muss irgendwo starten und es ist auch gut, dass Unternehmen sich dann schon jetzt sagen coronabedingt, ich muss an meine Geschäftsprozesse ran, ich kann sie automatisieren, ich muss sie Minimum digitalisieren. Dadurch werden hoffentlich irgendwo Ressourcen frei, dass ich mich dann wieder um andere Themen kümmern kann. Wobei Ressourcen werden momentan überall frei, aber ich kann mich wieder im Unternehmen abseits meines Alltags irgendwie um Entwicklungsthemen kümmern. Und dann kommt das Unternehmen vielleicht auch irgendwann auf die Gedanken, dass ich vielleicht ein Bedrohungsszenario habe, dass ich mich strategisch neu ausrichten muss, dass ich an mein Geschäftsmodell denken muss, also irgendwo muss das Thema ja anfangen. Deswegen ist es gar nicht so schlecht gemeint, wie ich es vielleicht geschildert habe. Aber es ist nicht so, dass alle gesagt haben, wir starten jetzt total durch und jetzt machen wir das, du hast ja eben auch das Thema der Möglichkeiten überhaupt angesprochen. Es ist ja sogar teilweise umgekehrt gewesen, also wir waren mit Kunden im Gespräch damals im März/April 2020, von denen haben wir von einen auf den anderen Tag einfach nichts mehr gehört, weil die alle in Kurzarbeit waren, weil die einfach komplett von der Bildfläche verschwunden waren und Projekte dann eben pausierten, entweder weil die erforderlichen Personen dafür in Kurzarbeit waren oder weil man auch erst mal das Geld zusammenhalten wollte und gesagt hat, ich investiere jetzt gar nicht mehr, was der falsche Schritt ist.
Sven: Ich denke, was bei diesem ganzen Thema von besonderer Wichtigkeit ist, das haben eben auch die letzten zehn Jahre gezeigt, ist, dass das Gesamte einfach ein ganz, ganz starker Wandel ist. Einfach ein Wandel, der auch immer weitergehen wird. Und die Technologie entwickelt sich immer weiter und es gibt immer neue Lösungen, es gibt neue Wettbewerber, da passiert unglaublich viel. Und wir haben ja auch häufig die Herausforderung, wenn wir zum Beispiel einen neuen Mitarbeiter suchen, welchen Wissensschatz oder welche Aktualität von Informationen braucht der, wovon kann man ausgehen? Es gibt kein Standardwerk, das man ihm in die Hand drücken kann und das er lesen soll.
Sebastian: Es gibt auch keine Ausbildung oder kein Studium, was das Problem beschreibt.
Sven: Dafür ist es einfach zu komplex, es passiert jeden Tag so viel. Ehrlicherweise ist das auch ein Grund gewesen, warum wir vor zweieinhalb Jahren mit diesem Podcast angefangen haben, einfach weil halt jeden Tag so viel passierte und wir einfach selber für uns ein Kanal gesucht haben darüber zu sprechen und auf dem Laufenden zu bleiben und irgendwie auch zu konservieren. Und ich glaube, das ist eben das, was man aus den letzten zehn Jahren am stärksten mitnehmen kann. Das ist ein unglaublich starker Prozess, man versteht immer mehr, wie die Zusammenhänge sind, wie Mechanismen verstehen und man muss dranbleiben.
Sebastian: Vielleicht, vielleicht noch noch zwei Gedanken dazu. Ich glaube, dass das Ausmaß weiterhin unterschätzt wird, was passiert. Teilweise wird Geschwindigkeit überschätzt, aber das Ausmaß wird unterschätzt. Ein schönes Beispiel, was ich immer sage, ist das autonome Fahren. Wenn wir in der Lage sind und technisch werden wir das eher sein als gesellschaftlich, womit ich politisch usw. meine, autonom fahrende Fahrzeuge zu haben. Und damit meine ich auch nicht nur PKWs, sondern auch Busse LKWs usw., wenn das kommt, wovon wir wahrscheinlich ausgehen sollten, wenn das kommt, dann können wir das Ausmaß gar nicht einschätzen, auch wenn wir glauben und da überschätzen wir das wahrscheinlich, dass ist immer gleich alles morgen da. Wie gesagt, ich glaube, die politischen Herausforderungen sind da viel viel höher als die technischen, aber das Ausmaß können wir gar nicht einschätzen, was passiert. Also wie wird sich unser Stadtbild verändern, unsere Art und Weise zu leben? Wie verändern sich unsere Berufsbilder, wenn wir dazu in der Lage sind? Aber es ist halt eben nicht morgen. Aber ich glaube, das Ausmaß wird immer noch unterschätzt. Und ich glaube, und da bringe ich kurz noch mal ein Beispiel dazu, was glaube ich ganz gut ist, ist halt wirklich diese gesamte Naivität abzulegen. Du hast es vorhin gesagt, wir konnten es uns nicht vorstellen, dass wir ohne Schuhe anprobieren, die online kaufen. Und es geht gar nicht nur um Handelsmodelle, aber auch im Bereich Autos, ich muss doch immer ein Auto probefahren. Ja, das kann ich auch machen, aber wofür brauche ich dafür dann das Autohaus? Also das kann mir auch vor die Tür gestellt werden. Also wir müssen einfach die Naivität ablegen und auch wenn ich auf diesem ChatGPT Hype nicht so richtig mit surfe auf dieser Welle, weil ich glaube es ist einfach nur ein Werkzeug, was unterschiedlichste Use Cases eigentlich aufzeigt, was möglich ist, ist das eigentlich finde ich ein ganz schönes Zeichen oder es zeigt einfach mal breiter Masse, was tatsächlich möglich ist und zeigt halt auch mal auf, warum wir eben nicht naiv sein sollten. Ich hatte jetzt vor kurzem so einen orthopädischen Issue, sage ich jetzt mal, und weil man auch auch mit den ganzen digitalen Werkzeugen nicht unbedingt dazu in der Lage ist, schnell nen Termin zu bekommen beim Facharzt, habe ich das Thema mal bei ChatGPT eingegeben und die Diagnose, die ChatGPT mit allen Disclaimern drum herum rausgegeben hat, war exakt das, was mir später der Facharzt bestätigt hat.
Sven: Ich glaube, jetzt müssen wir hier ein Disclaimer einblenden oder so, weil es ist keine Empfehlung, sich seinen ärztlichen Rat von ChatGPT zu holen.
Sebastian: Genau. Also es ist keine Empfehlung, sich das von ChatGPT zu holen, aber ChatGPT hat den Disclaimer selber drin. Also sagt halt, das ist hier kein ärztlicher Rat und bitte suchen Sie einen Arzt dafür auf. Aber es hat sogar wissenschaftlich hergeleitet, warum das so ist, also es hat es sehr detailliert erläutert und es ist letztendlich genau das gewesen, was der Facharzt bestätigt hat. Und was ich damit nur sagen will ist, wir hätten vor fünf Jahren, vor fünf Monaten, wahrscheinlich nicht gedacht, dass künstliche Intelligenz einen Arzt ersetzen kann, Rechtsanwalt ersetzen kann. Ich glaube, das sind Berufe, die sind zu ersetzen, auch durch Robotik usw. und so fort. Und das ist, glaube ich, etwas, das dieses Naivitätsthema, ganz gut beschreibt.
Sven: Aber sollten wir aufgrund dieses Podcast jetzt verklagt werden, würden wir bitte nicht ChatGPT verwenden, sondern wir rufen einen Anwalt an.
Sebastian: Ja, ja, dann sollten wir tatsächlich vielleicht mal einen Anwalt fragen, aber vielleicht ist die Antwort auch besser. Ich weiß es nicht. Aber es zeigt ja einfach ganz gut auf, was oder warum es eigentlich wichtig ist, eben diese Naivität abzulegen und es nicht für unmöglich zu halten.
Sven: Ja, ich glaube auch, genau gerade mit der Erkenntnis, dass diese Veränderung halt so stark ist. Ich glaube, man vergisst immer so gerne zeitliche Spannen, also wenn man drüber nachdenkt, wie lange gibt es Amazon mittlerweile? Die haben ja vor ein paar Jahren schon 25-jähriges Bestehen gefeiert und man vergisst das immer ganz gerne. Aber wenn man sich dann mal vor Augen hält, wie lange diese Veränderung da ist, hat diese Veränderung ja eben gezeigt, dass man diese Naivität wirklich ablegen muss, weil diese Veränderung einfach stattfindet und dann eben so radikal ist.
- Vom 8. Februar 2023